Tuesday, May 01, 2007

Martin Heckmanns 4: "Einen Toten zu kennen, bereichert mein Leben"





Der Burgtheater-Autor MARTIN HECKMANNS gedenkt im letzten Teil des Gesprächs mit ELFI OBERHUBER eines befreundeten Selbstmörders. Kein Einzelfall, wie
der aktuelle Freitod "Marie Zimmermanns" (s. talks life) beweist. Für Einführung, Liebes-, wirtschafts- und sprachkritische Teile 1+2+3 scroll down.


Martin Heckmanns
(photos © Elfi Oberhuber)




Vom Tod zum doppelreflexiven Mißverständnis


Zwei Textauszüge aus Martin Heckmanns Monolog
Das offene Fenster oder Von der Abwesenheit

intimacy-art: Sie lesen in letzter Zeit öfter Ihren ersten, schon erwähnten Monolog "Finnisch oder Ich möchte dich vielleicht berühren", wo es um das Kennenlernen-wollen einer Frau geht, die im Vergleich zum unsicheren Mann sehr selbstsicher ist, und dann als Kontrast "Das offene Fenster oder Von der Abwesenheit", wo offensichtlich eine Frau Selbstmord begangen hat, und er ihr "nachweint". - Das könnte auch generell für das Ende einer Beziehung stehen, also, wo der Mann noch an die Frau denkt, die ihn verlassen hat und nun woanders lebt. - Was wahrscheinlich noch ärger ist. Mich hat es selbst an das Ende einer Beziehung zu einem Geliebten erinnert.
HECKMANNS (trippelt gegen den Tisch): Im Stück?
intimacy-art: Nein, wenn man verlassen wird, erlebt man all das. Der Mensch muß nicht unbedingt sterben.
HECKMANNS (trippelt gegen den Tisch): Ja.
intimacy-art: Bedeutet diese Kombination nun, dass da jemand schreibt, der seine Wunschfrau eigentlich schon mal gefunden, dann aber wieder verloren hat?
HECKMANNS: Der Abschiedstext richtet sich eigentlich an einen Mann. Ich weiß gar nicht, ob es tatsächlich erwähnt wird, oder ob es nur mir klar ist.
intimacy-art: Der, der sich umgebracht hat, ist ein Mann?
HECKMANNS: Ja, ja. Aber dadurch, dass er am Anfang nur mit "du" angesprochen wird, ist es wahrscheinlich unklar, ob es ein Mann oder eine Frau ist.
intimacy-art: Ich dachte, das ist eine Frau am Fenster. Ah, das ist Mann!
HECKMANNS: Ja, aber es gibt natürlich Andeutungen von einer Liebesgeschichte.
intimacy-art: Nicht? - Also das ist tatsächlich ein Mann.
HECKMANNS (lacht): Ja.
intimacy-art (lacht)
HECKMANNS: Ja, aber das ist interessant. Dass es einfach ein Abschied sein könnte, wo der nicht tot sein muß, und dass es eine Frau sein könnte... Ja. Aber es macht für mich im Grunde auch nicht so einen Unterschied.
intimacy-art: Nein, es geht ja nur um Verlust.
HECKMANNS: Ja.
intimacy-art: Es ist doch jeder so in seinem eigenen Leben gefangen, dass er alles auf sich selbst projiziert. Deshalb habe ich gemeint, das könnte man auch von einem Mann sagen, der einen verlassen hat.
HECKMANNS: Ihnen ist aber auch ein Mann ...
intimacy-art: Er ist aber nicht gestorben.
HECKMANNS: Aber der Abschied war auch von einem Mann.
intimacy-art: Eh.
HECKMANNS: Insofern ist das interessant, dass das für Sie jetzt zu einer Frau geworden ist.
intimacy-art: Ja, aber ich bin ja eine Frau.
HECKMANNS (lacht)
intimacy-art: Das ist ja wurscht, es geht ja nur um das. (lacht)
HECKMANNS: Für mich war zuerst mal das Thema "Abwesenheit"" der Grund zu schreiben.
intimacy-art: Für mich ist einfach dieses Bild von dieser Figur am Fenster eine total ästhetische Beschreibung. Dadurch habe ich ja auch so etwas wie Erotik heraus gefühlt.
HECKMANNS: Ja.
intimacy-art: Also hätte ich eher gedacht, dass das in Bezug auf Sie als Schreiber eine Frau sein muss.
HECKMANNS (überlegt und nickt): Mh.Hm.
















(Interview-Auszug vom 20.1.2007,
volle Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Deutsch)
über intimacy-art@gmx.at)