Saturday, December 16, 2006

"Der Vampir erzählt uns von Macht, Sucht und Verantwortung", Neville Tranter 1


Foto: Neville Tranter (© Elfi Oberhuber)

Figurentheater in aller Munde: ob bei Roman Paska mit Beethoven in Camera ab 19.1.07 im Schauspielhaus Wien, beim Kabinetttheater im anderen Konzert im Wiener Konzerthaus am 18.2. oder mit Gute Götter - so ein Theater! im Keller "Hölle" des Theaters an der Wien ab 20.3., oder bei Ronnie Burketts 10 Days on Earth ab 25.5. im Rahmen der Wiener Festwochen im Schauspielhaus. - Da diese Dramatikform mit Puppen arbeitet - tot und doch so lebendig - handelt sie immer auch von der Urfrage "Leben und Tod", von der Durchlässigkeit, dem Vergehen und Verfall, dem Fortgang der Menschheit und damit von der Verantwortung des Einzelnen dafür. Am besten hat dies bisher Australier NEVILLE TRANTER vermittelt, denn neben Bewegungstheater und abstrakter Verfremdung haben seine Stücke auch theatrale Kraft. Derzeit tourt er mit Vampyre durch ganz Europa, dessen Premiere er in Wien feierte. Das Gespräch über das Vampir-Phänomen mit ELFI OBERHUBER steht exemplarisch für das Grundwesen aller Erwachsenen-Puppenkunst, das somit zutiefst ethisch und politisch ist.

Kurzprofil NEVILLE TRANTER (geb. am 5.9.1955 in Queensland/Australien, Sternbild Jungfrau) Der gefürchtetste Theaterkritiker der Niederlande, wo Neville Tranter lebt, bezeichnete Schicklgruber alias Adolf Hitler als "schönstes Stück seines Lebens": Spätestens also, seit Tranter Hitler, Göring und Himmler samt familiärem Anhang in grotesk-makabre Puppenkörper steckte und sie im Bunker des Führers letzten Geburtstag feiern ließ, der alsdann im Selbstmord gipfelte (Video-Ausschnitt über: www.stuffedpuppet.nl/movie.html), ist ein Stück des in Amstelveen lebenden Australiers kein Geheimtipp mehr. Hinter der rhythmischen Virtuosität in romantischem Horrorszenario (Tranter: "Die Magie wird umso stärker, je brutaler du auf der Bühne wirst.") steckt die Detailakribie eines "wahnsinnigen" Perfektionisten. Das fängt in der Farbe des Gaumens der Puppen an, geht über die mit Literaturzitaten bespickte, komplexe Geschichte, bis zum British-Actor-English des Schauspielers Tranter, dem einzigen Menschen auf der Bühne unter den vielen Menschenpuppen - die er alle selbst baut, spricht und spielt. Er gilt als Pionier seines Fachs, indem er mit seinem Stuffed Puppet Theatre seit 1976 "echte Theaterstücke mit Puppen für Erwachsene" entwickelte, mit der illusionären Kraft, als würden jene leben. Im philosophischen Horror-Märchen Vampyre leben sie sogar noch, wenn sie "tot" sind ...

Foto: Neville Tranter und der Vampir-General Count Olav (© Elfi Oberhuber)

Vampir - Archetyp für Leben und Tod


intimacy-art: Das Vampir-Phänomen dreht sich mythologisch und psychologisch um die Bedeutung von Leben und Tod für den Menschen. Wie und warum zeigen Sie das inVampyre?
NEVILLE TRANTER: Die drei Welten ­ Leben, Tod, Scheintod ­ sind nötig, um mit den Schicksalen mitfühlen zu können. Mischwesen gab es schon in der griechischen Klassik, indem Menschen die Kräfte von Göttern hatten. Die helle Welt der Halbgötter repräsentiere ich in Vampyre mit mir in der Rolle des Gabriel. Auf dem Camping-Platz leben die normalen "Menschen" und die Vampire - eine Art "dunkler Halbgötter". Und alles dreht sich um die Hauptfigur Romero, einen jungen Vampir und menschlichen Knaben zugleich.
intimacy-art: Metaphorisch geht es um das physische und moralische Gefühl, tot oder lebendig zu sein: in Leben und Tod.
TRANTER: Dieser Doppelsinn geht schon von der Puppe selbst aus. Sie lebt erst, wenn ich ihr Leben einhauche. Sobald sie von meinen Händen gleitet, ist sie tot. Deshalb funktioniert Torvalds Selbstironie so schön, als er auf Kierkegaard trifft ­ und beide sind Puppen: "Oh, Gott sei dank, ein Mensch!" Darauf Kierkegaard: "Wirklich? Wo?"
intimacy-art: Leben und Tod liegt auch in den Widersprüchen böse-gut, schwach-stark. Der Starke fühlt sich lebendiger. Interessant ist nun, dass ausgerechnet der mehr im Reich der Toten befindliche, starke Count Olav, also der echte Vampir ­ - obwohl als lebender Toter eigentlich "ungesund" ­ - so wunderschön ist.
TRANTER: Ja, Vampire sind kräftig, schön und tot. Sie riechen auch tot. Und der Archetypus des Vampirs kann ganz lang leben.
intimacy-art: Was ihn so mächtig macht.
TRANTER: Ja, denn das Leben des Menschen ist kurz. Die Vampire aber leben lang. Das steht dafür, dass der Vampir in seinem Leben ganz viel mitgemacht hat. Selbst Romero ist eigentlich schon alt, obwohl er noch ein junger Vampir ist. Der Vampir ist also ein Symbol für die Zeit, die Zeit eines Menschen auf der Erde. Und das ist für mich das große Thema in diesem Stück, indem alles durchlaufen wird. So sagt Kierkegaard am Anfang, "Unendlichkeit ist der Zustand des Lebens", und schließt daraus, dass Leben und Tod folglich dasselbe sein müssen. Deshalb sei es nicht wichtig, ob etwas lebe oder tot sei.
intimacy-art: Ähnliches gibt es auch in der Psychologie: "Humor ist der Ausgleich in der Unendlichkeit", gerade weil das Leben schnell endet, soll man jeden Moment genießen.
TRANTER: Da betrachtet man es punktuell, aber in Vampyre steht es dank der Puppen für die Unendlichkeit der Menschheit in ihrem Verlauf: Indem das eine geht, das andere kommt, der eine Mensch stirbt, der nächste folgt. Der Zuschauer findet hier wie im Märchen etwas Symbolisches für die ganze Menschheit.

Wenn Macht in Ohnmacht kippt

intimacy-art: Da beim Vampir all diese Kontroversen so nah bei einander liegen und einander bedingen ­ - krank-stark, schön-häßlich ­ - wissen Sie immer, was gut oder schlecht, richtig oder falsch ist?
TRANTER: Nein. Du glaubst immer zu wissen, was gut ist. In einer total anderen Situation ist es aber gerade das Falsche. Zum Beispiel im Stück: Ingers Vater, Torvald, rennt im Wald andauernd hinter seinem Hund her, anstatt bei seiner Tochter zu bleiben; selbst wenn er seine Tochter liebt.
intimacy-art: Das ist seine Ausrede, um sich nicht wirklich kümmern zu müssen. Er rennt dem Hund nach, da es einfacher ist, etwas Konkretes zu suchen - was aber im Grunde auch nicht konkret ist.
TRANTER: Genau. Und so ist Torvalds ganzes Leben. Bis zum Schluß, wo er verärgert sagt: "Dieser Wald ist ein Alptraum, man läuft immer im Kreis, ohne Garantie, überhaupt einmal raus zu kommen." Das steht philosophisch für seinen Lebensstandpunkt.
intimacy-art: Das hat etwas Beckett-sches: Man wartet im Leben auf etwas, aber weiß nicht, auf was.
TRANTER: Ja, auch die Figur des Torvald wird dadurch zum Archetypus, der uns etwas vom Wesen der Menschheit erzählt.
intimacy-art: Ihre Archetypen sind aber auch Stereotype. Romero ist als Sohn zum Beispiel zu schüchtern und naiv, sein Vater, Graf Olav, ist zu egoisitisch und stolz. Hier zeigt sich das Spiel zwischen Macht und Ohnmacht schlechthin. Geht es im Leben letztenendes darum, Macht zu haben?
TRANTER: Ja. Ich glaube aber auch, du kannst den ganzen Tag das Gefühl haben, Macht zu haben, und plötzlich ändert sich das. Das ist das ewige Spiel von Macht und Ohnmacht. Mit einem Mal bist du machtlos. Durch eine Tür, einen Menschen, das Wetter, einen Hund, du kannst unters Auto kommen, ...
intimacy-art: Nicht zu steuern, bis zum gewissen Grad aber doch.
TRANTER: Du kannst es versuchen.
intimacy-art: Es gilt zumindest, die richtige Balance zwischen Macht und Ohnmacht anzustreben. Nur ändert sich das eigene Gefühl dafür dauernd, je nachdem, wieviel Macht man bereits errungen hat. Man setzt den Level ständig höher; und bist du auf einer Stufe, kannst du kaum mehr darunter gehen.
TRANTER: Ein gutes Wort dafür ist Flexibilität. Man muß flexibel bleiben. Im Machtverhalten ist das allerdings sehr schwierig.

Der Mächtige nimmt sich alles ohne Mitleid

intimacy-art: Mit diesem Wort wird Macht auch positiver.
TRANTER: Ich deute Macht verbunden mit Verantwortung auch positiv. Olav hat seinen Höhepunkt aber schon hinter sich. Und was passiert jetzt? Er fühlt sich zu gut im "minderen Wald" und beklagt sich: "Der Wald ist krank! Und ich muß in diesem Wald meine Zeit verbringen!"
intimacy-art: Die Schuld gibt er der Umwelt. - Oft ist sie es auch.
TRANTER: Das kann auch sein, ja.
intimacy-art: Und was treibt den Vater dazu, in der Nacht im Wald herumzustreunen und ein unschuldiges Mädchen zu beißen, wie Inger? Deren Blut eigentlich sein Sohn bräuchte, um erwachsen zu werden?
TRANTER: Olav steht für den Archetypus des Generals. Er glaubt noch immer an den Krieg, wo er der Held war, der immer junge Frauen hatte: "Und ich bleibe das!" Er liebt junge Frauen, aber nicht als Mensch, sondern als Statussymbol, im Wettbewerbsdenken, um jung zu bleiben. Das kommt vom Stolz der Menschheit. ­ Die sieben Todsünden.
intimacy-art: Hat Inger dennoch erotische Gefühle für Olav?
TRANTER: Wir hatten während der Textentwicklung eine Szene, die sehr gut, aber zu schockierend für die Zuschauer war: Sie wollten nicht, dass Inger ihren Vater Torvald als Mann sehen könnte, den sie haben mußte, und der sie dann fragte: "Was machst du da?" - Deshalb wird Olav aber noch lange nicht zu so etwas wie einem erotischen Vaterersatz. Nein, nie. Sie ist wirklich Olavs Opfer. Er vergewaltigt sie. Das hört man auch. Bei seinem "ahahah".
intimacy-art: Aber sie könnte ihn vielleicht später wegen der sexuellen Erfahrung attraktiv finden. Da er ja öfter kommt...
TRANTER: (lacht)
intimacy-art: Nein, sie liebt also den jungen Romero.
TRANTER: Ja.

Lesen Sie in Teil 2, demnächst auf dieser Site: Der Vampirbiß als verlust der Jungfräulichkeit und Beginn der Schuldigkeit des Menschen
(Interview-Auszug vom 2.5.2006, voll Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Deutsch) über intimacy-art@gmx.at)

Tuesday, November 28, 2006

"Im Sex liegt nicht die Wahrheit für kulturelle Identität", Willi Resetarits & Sivan Perwer, Teil 3


photo: Willi Resetarits und Sivan Perwer (© Lukas Beck)

Burgenland-Kroate WILLI RESETARITS und türkischer Kurde SIVAN PERWER im letzten Teil des Gesprächs mit ELFI OBERHUBER: Was heißt Identität im Vergleich zur Kurdenfrage für alle Menschen? Wie wirkt sich das praktisch auf gemeinsames Musizieren aus? Für Einführung (Teil 1,2) scroll down.


Wie wichtig ist echte Nähe im globalen Zeitalter?


intimacy-art: Sucht man - je mehr Menschen aus verschiedenen Kulturen im globalen Zeitalter aufeinander treffen, je unsicherer man dadurch in der Welt verfestigt ist -, umso mehr nach echter Nähe, nach etwas vom eigenen Charakter oder von der eigenen Herkunft im Anderen? Ist das die dilemma-reiche Farce - selbst beim besten Willen an Toleranz - des Globalen?
RESETARITS:
Als Ideal glaube ich, dass man in einer toleranten Welt den
eigenen Standpunkt braucht, um sich selbst zu definieren. Darüber, was wir Identität nennen. Das ist ganz wichtig, auch für den toleranten Standpunkt.
intimacy-art:
Ich denke die Wahrheit liegt im erotischen Gefühl: Vom
Fortpflanzungstrieb her ist es doch so, dass der Instinkt das Gleiche sucht. Da funktioniert die Toleranz nicht. Ich kann mich mit Ihnen sehr gut unterhalten, aber ob ich bei Ihnen ein erotisches Gefühl hätte, weiß ich nicht. Fühlen Sie sich also von Gleichem angezogen?
PERWER:
Es gibt auf der Welt Menschen in verschiedenster Gestalt geboren. In
Asien, Amerika, Afrika, die einen sind schwarz, Sie sind ein bißchen blond oder weiß, aber dafür sind wir alle nicht schuld. Kulturen, Sprachen sind so unterschiedlich wie die Menschengestaltung, und das soll auch so sein, aber nicht mit Unterdrückung und Ausbeutung. Z.Bsp. in Amerika leben Menschen aus verschiedensten Kulturen, Amerika ist eine Supermacht, aber eigentlich gehört es den Indianern.
intimacy-art: Das stimmt schon. Aber es gibt ja ganz schlimme rassistische Theorien. Charles Darwin sprach bei der Fortpflanzung von Struggling for the Best, und dass man sich zwecks Arterhaltung mit dem Gleichen zusammen tut. Jetzt wissen wir, es hat sich schon so viel vermischt, in der Zeitgeschichte, und das ist auch gut, da immer vielfältigere Mischungen herauskommen. Wozu tendieren Sie beide aber im intimen Bereich - ganz ehrlich und persönlich gesagt?
PERWER:
Sie sind Österreicherin, ich bin Kurde. Ich respektiere Sie als
Mensch. Das müssen wir zunächst akzeptieren. Und falls wir zusammen kommen, kann ich auch ein Österreicher werden. Aber ohne Unterdrückung. Wenn mein Gefühl aber stark und gut ist, so wie ich mich als Kurde fühle, muss ich Kurde bleiben. Es gibt viele Kurden, die in der Türkei zwangsassimiliert sind.
intimacy-art: Haben Sie eine kurdische Frau?
PERWER:
Hatte ich.

intimacy-art: Also nicht mehr.
PERWER:
Wir sind nicht mehr zusammen, aber noch in großer Freundschaft
verbunden.
intimacy-art:
Weil mich wirklich der Sprung interessiert, wo jemand ins
eigene Leben jemand ganz Fremden zuläßt oder ob er das Eigene sucht.
RESETARITS:
Ich kann das nicht generalisieren. Ich denke, dass es, Gott sei
dank so ist, dass es jeweils ganz unterschiedlich ausfällt. Ob man sich mehr zum Eigenen oder mehr zum Fremden bzw. zum Anderen hingezogen fühlt.
intimacy-art:
Aber Sie haben, glaube ich, eine schöne, große blonde Frau.
Sind Sie noch zusammen mit ihr?
RESETARITS:
Wir sind nicht mehr zusammen. Sie war aber keine
Burgenland-Kroatin. Das ist also nicht der Punkt.
PERWER:
Einander gut oder nicht zu verstehen, oder ob etwas hält, ist nicht
unbedingt von der Kultur oder Nation abhängig. Das wichtigste ist, den Menschen an sich zu respektieren, um zusammen oder nebeneinander leben zu können. Wenn man das akzeptiert, muß man sich nicht gegenseitig bekämpfen.

Name zwischen Identität, Fremdbestimmtheit und Markenbewußtsein

intimacy-art: Sie heißen normalerweise Ismail Aygün, warum haben Sie Ihren Namen geändert?
PERWER:
Mein Name war von Anfang an Sivan. Nur mein Nachname war nicht
Perwer, sondern Aygün. Das ist ein türkisches Wort, von Türken vergeben, denn die Kurden dürfen ihren eigenen Nachnamen nicht behalten. Der erste Name kann kurdisch, der Nachname muß arabisch sein.
intimacy-art:
Und Sie haben Ihren Namen von Ostbahn Kurti wieder auf Willi
Resetarits geändert. War das eine Identitäts- oder eine Markenfrage?
RESETARITS:
Der Ostbahn war als wunderbares Projekt vollendet. So konnte ich
wieder zu etwas Neuem schreiten. Ostbahn Kurti ist an sich aber ein Künstlername.
intimacy-art:
Genau. Und damit wurden Sie zur Marke. Nun wurden Sie zu einer
Neuen, doch möglicherweise für nur eine geringe Marktlücke. Denn mittlerweile gibt es schon viele Künstler, die mit dem integrativen Gedanken arbeiten: Das Schauspielhaus, die Worldmusic-an-sich, das Volkstheater, der Ali-G im Fernsehen. Wie schaffen Sie es, Ihre eigene Individualität gegenüber diesen anderen Marken zu verteidigen?
RESETARITS:
Also, i glaub net, dass i des verteidigen will und verteidige es
auch nicht. Ich glaube, dass man etwas schlecht verwaltet, wenn man es krampfhaft verteidigt. Sollte es nicht übrigbleiben, war es offenbar nicht stark genug. Und da ich mich in dieser Arbeit in positivem Sinne wirklich verliere, wird es sicherlich eigen sein und übrig bleiben.
PERWER:
Und spüren die Menschen, das ist richtig, stützt es auch wieder
unsere Persönlichkeit und Identität.
intimacy-art:
Das schaffen Sie nun, indem Sie Ihre beiden Musikstile
durchmischen, ...
RESETARITS:
Ja, aber sehr vorsichtig und mit Respekt. Es soll nichts
verändert und auch nichts verbessert werden, sondern wir machen einfach gemeinsam Musik. Und langsam verstehen wir uns besser, sodass wir schon mehr miteinander kommunizieren können: musikalisch. Denn grundsätzlich unterscheidet sich die kurdische Musik von der arabischen und der westlichen Musik. Die Skalen, die Vibrationen sind anders, man arbeitet mit Vierteltönen, die wir Westler weder haben, noch hören, wobei wir Angst haben, unsere Halbtöne mit diesen Vierteltönen zusammen zu bringen. Die größten Probleme gab es aber wegen Percussion und westlichem Schlagzeug, das für die kurdische Musik zu mächtig ist. Wir übernehmen daher jetzt den Rhythmus der kurdischen Kollegen, wenn wir in Liedstellen und -übergängen zusammen kommen.
intimacy-art:
Interessanterweise sind Sie inhaltlich erst recht von einander
verschieden. Sivan Perwer ist der Erzähler von narrativen Geschichten, sei es über Großgrundbesitzer, die sich duellieren, oder von Steppen-Lautmalereien mit Flöten, während Willi Resetarits persönliche, innere Monologe singt, wie etwa “"Wann de Musik vuabei is, steht ma ganz alla do". Wie verträgt sich das?
RESETARITS:
Ich denke, dass die Musikstücke für sich selbst sprechen und
auch die Texte. Es gibt bei uns beiden sehr schöne Liebeslieder, die in ihrer Art sehr verbreitet sind. Im Grunde sind auch Marienlieder vom Text her Liebeslieder. Die meisten Lieder sind daher Liebeslieder.
intimacy-art:
Bei Ihnen allein oder bei Ihnen beiden?

RESETARITS:
Überall, weltweit und bei uns beiden auch. Aber es gibt
natürlich auch konkrete Aussagen, und aufgrund Sivans Herkunft muß auch das Statement für die kurdische Identität kommen, weil es etwas zu erringen gilt. Ich selbst muß da nicht so kämpfen.
intimacy-art:
Sie singen etwa: “"Leben ist Arbeit und di bringt di um",
Zitate von Bruce Springsteen auf Sie selbst ganz persönlich umgemünzt. Das unterschiedliche Maß an Intimität, das man rausläßt, ist bei Ihnen also sehr verschieden: Würden Sie sagen, dass Willi Resetarits auf der Bühne sehr viel von sich preisgeben will, und Sivan Perwer die intime Zone eher für sich behalten will?
PERWER:
Bei mir ist das eher eine Frage der Strategie. - Manchmal
protestieren die Leute, also die politischen Organisationen, und wollen das musikalische Gefühl bzw. die Idee hinter einem Lied zerstören. Um es dennoch ausdrücken zu können, muß ich Umwege gehen. Ich spiele also daraufhin wieder eine Musik, die die Situation beruhigt. Und wenn die Menschen lachen und sehr glücklich sind, singe ich Tanzlieder, Liebeslieder, wobei ich aber von der Gleichberechtigung der Frau singe. Denn die Frauen sind zweifach bedroht, die Männer nur einfach. Manche Männer werden dann böse und beschweren sich, dass die Frauen ihnen jetzt auf den Kopf steigen. Damit sie sich wieder beruhigen, singe ich wieder etwas anderes ...
intimacy-art:
Wir Westler können dagegen alles raussingen. Willi Resetarits
hat sich sicher nie überlegt, etwas umschreiben zu müssen. Er kann so intim sein, wie nur möglich.
RESETARTIS:
Man kann zumindest genau sein. Aber ich will auf keinen Fall
autobiografisch sein. Es ist nur etwas scheinbar Autobiografisches, mit dem Zweck, Inhalte und Gefühle zu vermitteln, die alle betreffen. Wenn ich meine Privat-Befindlichkeiten in die Welt hinaus verbreite, ist das uninteressant.
intimacy-art:
Ist Ihre kurdische Musik eine Musikform, die auch zur
kurdischen Klassik zählt?
PERWER:
Ich habe verschiedene Motive. Ich bin mit kurdischer Musik
aufgewachsen, habe aber immer versucht, verschiedene Motive außerhalb davon zu integrieren. Hinsichtlich Gefühl, Ereignissen.
intimacy-art:
Es beinhaltet also Volksmusik und klassische Elemente, alles
zusammen.
PERWER:
Ja, und daneben gibt es noch die spezielle Musik von Sivan Perwer
als eigentliches Ziel. Sodaß jeder weiß, wenn ich ein neues Lied singe, dass es von mir komponiert wurde.
intimacy-art:
Und mit türkischer Musik hat das nichts zu tun?

PERWER:
Nomalerweise nicht, aber wenn man global denkt, gibt es von jedem
Volk etwas. Wir leben als Türken, Araber, Perser nebeneinander zusammen und leben auch von einander. Die Türken und Araber haben umgekehrt von unserer kurdischen Musik viel übernommen.
intimacy-art:
Ach so, die haben von Ihnen Dinge übernommen.

RESETARITS:
Das ist ein Austausch, der in allen Kulturen passiert.

intimacy-art:
Bei Willi Resetarits ist noch der "“Proletarier"-Einfluß
wichtig zu erwähnen. Wie kokettieren Sie denn damit, auch mit dem Akademikertum?
RESETARITS:
Mir ist dabei nur ganz wichtig, dass man stets im Bewußtsein hält, wo
man herkommt. Man sollte nicht irgendetwas anderes behaupten.
intimacy-art: Aber das mit den Titeln, der Dr. Ostbahn Kurti, und auch Ihre Musiker tragen noch die Titel, ...
RESETARITS:
... das ist ein Spiel ...

intimacy-art: ... aber auch eine Provokation.
RESETARITS:
Aber mit der Grundaussage, die eigene Herkunft nicht zu
verleugnen, egal, ob das jetzt eine Volksgruppe oder die soziale Schicht ist.
intimacy-art: Und dass Sie Prominente wie Barbara Rett und Michael Köhlmeier in Ihrem Projekt dabei haben - ist das eine Spekulation, mit einem Prominenten - wie auch Präsident Dr. Heinz Fischer innerhalb Ihrer PR-Arbeit - mehr Rückhalt und Aufmerksamkeit zu bekommen oder geht es da tatsächlich um die Personen als bewußte Teile des Kunstprodukts?
RESETARITS:
Also bei diesen beiden hängt es an den Personen, die ich sehr
schätze und die sich, sozusagen, auch sehr gern bereit erklären, uns zu helfen.
intimacy-art:
Also zwei Fliegen auf einen Klatsch.

RESETARITS:
Ein Doppelnutzen, ja.


Wie nahe sich zwei fremde Menschen kommen können


intimacy-art:
Wie nah sind Sie einander nun tatsächlich?

PERWER:
Wir verstehen uns meist sehr, sehr gut, und respektieren einander
sehr. Und an unserem Beispiel sieht man, dass das mit der Zeit immer besser geht. Also sehr, sehr langsam. Nach vier Jahren unserer Zusammennarbeit hat sich das gut entwickelt.
intimacy-art:
Man hört es auch auf der CD, dass das im Laufe des Konzerts
immer mehr zusammen wächst.
PERWER:
Und im neuen Konzert wird es noch besser gehen. Wir versuchen,
unsere Musik und Gruppen in eine neue Form einzubinden. Also nicht nur meine Band und seine Band. Wir schauen, welche Lieder sich in einander einfügen lassen, sodass sie für sich selbst perfekt werden. Welche unserer Instrumente Willis und meine Musik noch besser verbinden können. Darüber denken wir zuerst nach, und dann bringen wir noch ein neues Repertoire von alten und neuen Liedern ein.
intimacy-art:
Was heißt denn Ihr Titel “Naze, wo auch Willi Resetarits mit
einstimmt?
PERWER:
Das heißt “"Verwöhntes Mädchen", ist aber auch ein Name für sensible
Leute, sowie ein weiblicher Vorname. Und wenn sich eine Dame nicht erklären kann, sagt man, Du bist sehr nazig. Dann sagt man naze, nazenin, nazelie, nazlie, nazike, es gibt verschiedene Abwandlungen.
intimacy-art:
Das ist bei der Sprache also wie mit den Vierteltönen in der
Musik.
PERWER:
Ja, genau.

intimacy-art:
Da merkt man erst, wie exakt Sie sind, mit diesen vielen
feinen Unterscheidungen. Wahrscheinlich kommt das von der alten Perser-Kultur. Wie bei der alten asiatischen Kultur mit ihren vielen Zwischenebenen.
PERWER: Ja, die Kurden sind ja auch ein Volk des Nahen Ostens. Das würde ich aber nicht für uns alleine beanspruchen, sondern auch für die arabische, türkische, persische Kultur. Aber ich singe natürlich vom Kurdischen heraus solche Lieder, weshalb diese Lieder in Kurdistan sehr bekannt sind. Das sind Volkslieder, klassische Volkslieder aus hunderten von Jahren.


(Interview-Auszug vom 20.9.2006, volle Länge in Print (Deutsch + Englisch) / Audio (Deutsch) über intimacy-art@gmx.at)

Tuesday, November 14, 2006

"Die Kurden sind Spielball der Weltpolitik...", Willi Resetarits und Sivan Perwer, Teil 2


photo: Willi Resetarits und Sivan Perwer (© Lukas Beck)

Burgenland-Kroate WILLI RESETARITS und türkischer Kurde SIVAN PERWER sprechen mit ELFI OBERHUBER kurz vor ihrer Konzerttour durch ganz Österreich über die Situation der Kurden in der Weltpolitik. Für Einführung (Teil 1) scroll down.


Kurden - ein Riesenvolk verteilt auf viele Länder


intimacy-art: Sivan Perwer, Sie sind weltweit die Repräsentationsfigur für die kurdische Volksgruppe. Welche Länder umfaßt denn dieses "Kurdistan"?
PERWER: Historisch betrachtet gibt es keine Grenzen, sondern nur den Hunderte von Jahren alten Namen. Grenzen wurden erst mit dem nationalen Bewußtsein ausgehend von Frankreich gesetzt.
intimacy-art: Ah ja, mit der Bürgerrevolution durch Napoleon.
PERWER: Während Österreich Land von Deutschland nahm und umgekehrt, wurde Kurdistan unter vielen Ländern aufgeteilt.
intimacy-art: Ich kenne Kurdistan auch nur als Märchen-Mythos.
PERWER: Kurdistan war also kein Staat, sondern der Überbegriff von Aserbaidschan, Afghanistan, etc.. All jene Länder, wo Kurden lebten, werden im Volksmund aber noch immer Kurdistan genannt. Selbst ohne Grenze.
PERWER (zieht mit dem Finger mit festem Druck eine Grenze auf den Tisch): Verstehen Sie?
intimacy-art: Ja.
PERWER: Im nahen Osten wurden die Grenzen überhaupt erst nach 1920 gezogen. Türkei bekam seinen heutigen Namen samt Grenze erst 1923. Davor hieß es Anatolien, Kurdistan, Pontus, und nicht "Türkei". Ata Türk und die nationalistischen Türken haben dann überlegt, was für einen Namen sie wohl für sich finden sollten? Türk - also Türkei. Türkei ist für Anatolien aber untypisch, es ist nur für Turkmenistan in Mittelasien typisch. Ganz anders wie das sehr alte Kurdistan.
intimacy-art: Sind die Kurden also eher die Perser? Sind Perser und Türken von der Rasse her verschiedener Herkunft?
RESETARITS: Das sind andere Völker, ja.
PERWER: Kurden sind mit Persern verwandt, auch mit Österreichern und Deutschen. Nur von der Sprache her nicht.
intimacy-art: Germanen sollen ja enthalten sein.
PERWER: Indogermanen.
intimacy-art: Inwiefern ist das anders?
PERWER: Kurdisch und persisch unterscheidet sich als indogermanische bzw. indoeuropäische Sprache total vom Arabischen und Türkischen.
intimacy-art: Dennoch klingt für mich Außenstehenden die kurdische Musik ähnlich wie die türkische Musik.
PERWER: Aber Sie haben nach Kurdistan gefragt: Bevor diese Staaten - Irak, Syrien, Iran, Türkei - im Abkommen von arabischen Scheichs mit europäischen Imperialstaaten gegründet wurden, mußten sie die Kurden besiegen, die sie als neue Herrscher dann unterdrückten.
intimacy-art: Das mit den Imperialstaaten entspricht ja auch der westlichen Geschichte.
PERWER: ... Amerika, ja ...
intimacy-art: Wo sind jetzt aber noch Kurden? Wo kämpfen sie um Akzeptanz?
PERWER: In der Ost-Türkei leben 25 Millionen, über 12 Millionen im West-Iran, 6 Millionen in freier Föderation im Nord-Irak, über drei Millionen in Nord-Syrien. Also mehr als 40 Millionen Menschen sind Kurden.
intimacy-art: Sie nennen also alle Gebiete, wo Kurden leben, Kurdistan.
PERWER: Ja, wir Kurden wissen sehr gut, wo Kurdistan ist.

Kurden zwischen West, Ost und Öl

intimacy-art: Wie ist denn das Verhältnis der Kurden zu EU, USA, Israel und Palästinensern?
PERWER: Politisch?
intimacy-art: Ja.
PERWER: Käme die Türkei zur EU, wäre das prinzipiell sehr gut für die Kurden, wie auch für den Nahen Osten. Die Kurden haben sich von Europa immer Einsatz erwartet. Europa handelte den Kurden gegenüber aber immer passiv, und meinte nur, "ja, wenn sich die Regierungen demokratisieren und entgegenkommender verhalten, wird sich das lösen. Kurden, habt Geduld." In Wahrheit suchte Europa aber immer nur die wirtschaftlich vorteilige Verbindung. Deutschland wollte viele Mercedes verkaufen, Schweden viele Volvos, Frankreich Renaults und Peugeots. Amerika meinte indessen, Europa hätte um Kurdistan falsche Grenzen gelegt und wollte sie ändern. Wem kann man also glauben? Europa oder Amerika? Wobei aber Amerika wieder nur das Öl im Auge hat, da 67% des Weltöls vom Nahen Osten kommen, die Amerika kontrollieren möchte. Was Europa nicht geschafft hat, will also jetzt Amerika schaffen. Da geht es um Wirtschaftspolitik.
intimacy-art: Besitzen denn auch Kurden Öl-Land?
PERWER: Ja, 9% des Weltöls kommen aus Kurdistan.
intimacy-art: Es gibt also reiche Scheichs, die Kurden sind?
PERWER: Die Engländer unterstützten einmal einen kurdischen Aufstand in der Türkei, da Türkei nach Kirkuk und Mussel verlangte, wo es Öl gibt. Dann arrangierte sich die Türkei mit England und sagte: "Wir lassen Kirkuk und Mussel, so wie es ist, aber dafür beenden Sie den kurdischen Aufstand." So wurde dieser Aufstand zerstört. Also nicht nur die Türken haben Kurdistan zerstört, sondern auch die Franzosen und Engländer.
RESETARITS: Die Kurden sind daher seit über hundert Jahren Spielball der Weltpolitik, weil sie keine eigene Vertretung haben.
intimacy-art: Stellen Kurden nun definitiv eine potentielle Macht dar, dass man sie immer unterdrückt, oder nicht?
PERWER: Potentiell geht es den Kurden nur um "viel Freiheit". Sie haben nie jemanden ausgebeutet und suchen nur nach Frieden und eigenen Rechten. Vielleicht hilft es jetzt, dass sich Amerika mit den Kurden befreundet ...
intimacy-art: Also doch, und Israel auch?
PERWER: Israel hat immer mit Amerika zu tun und weniger mit Arabern.
intimacy-art: Eben, die sind ja meist verbündet.
PERWER: Israel ist das einzige Land im Nahen Osten, das demokratisch ist, und doch gibt es diese sehr sensible Situation zwischen den Israelis und den Arabern mit ihrer islamischen Tradition und arabischen Mentalität. Die Araber müßten zuerst einmal ihr eigenes Land mit den vielen Staaten entwickeln, ihr eigenes Volk sozialisieren und demokratisieren, anstatt gegen Israel zu kämpfen. Auslöser sind aber nicht nur Araber oder Israel, sondern auch der Westen, der um das Öl im Nahen Osten kämpft. Der Westen entscheidet letztlich immer über den Nahen Osten. Diese Frage könnte daher auch vom Westen gelöst werden, der die hitzigen Ost-Völker aber nur mit Waffen beliefert, anstatt jene zu verweigern. So werden sie einander fertig machen, wobei der Westen Mitschuld trägt. Und in Wahrheit geht es wieder nur um das Öl.

Obwohl Kurden wie Araber Muslime sind: Konflikte

intimacy-art: Hinzu kommt, dass die meisten Kurden Muslime sind. Und innerhalb der Muslime und ihren Strömungen herrschen abermals Konflikte.
PERWER: Für die Kurden sind Religion oder Islam kein Problem. Da passen wir sehr auf. Derlei Konflikte würden sich nachteilig auf unser Vorhaben, ein starkes nationales Bewußtsein, eine Identität zu erlangen, auswirken, was sich 80% der Kurden wünschen.
intimacy-art: Hat man aber als Moslem nicht denn größeren Konflikt mit Christen?
PERWER: Die Kurden haben mit den Christen keinen Konflikt. Und die Muslime an sich haben einen Konflikt anderer Natur, wofür sie von den Kurden keine Hilfe bekommen werden, sprich wegen oder von Kurdischen Muslimen. Wir alle sind Muslime, wie Araber, Perser, Türken auch. O.k., warum haben wir aber dann diese Probleme? Warum beuten sie uns aus? Das ist doch nicht Muslim! Der Islam wird hier nur benutzt, zugunsten der Interessen arabischer Scheichs. Religion hätte hinsichtlich des Menschenrechts eine andere Bedeutung.
intimacy-art: Die Fanatischen sind trotzdem immer die, die sehr religiös sind.
PERWER: Die arabischen Scheichs, die türkischen Generäle bringen bewußt fanatische Gläubige hervor, um konfliktreiche Aktionen zu setzen. Das Volk ist normalerweise nie gegen einander.
intimacy-art: Sind Sie sehr gläubig?
PERWER: Ich bin nicht gläubig, nein. Und 80% der Kurden sind da wie ich. Ich respektiere aber Gläubige, wenn sie gut und ruhig sind. Ich bin nur gegen Fanatismus.


Lesen Sie in Teil 3 des Gesprächs demnächst auf dieser Site: Wie sich nationale Identität und Toleranz in einem selbst und in der Musik vereinen lassen

(Interview-Auszug vom 20.9.2006, volle Länge in Print (Deutsch + Englisch) / Audio (Deutsch) über intimacy-art@gmx.at)

Saturday, October 28, 2006

"Burgenland-Kroate und Türke-Kurde haben eines gemeinsam...", Willi Resetarits und Sivan Perwer, Teil 1

photo: Willi Resetarits und Sivan Perwer (© Lukas Beck)

Burgenland-Kroate WILLI RESETARITS und türkischer Kurde SIVAN PERWER sprechen mit ELFI OBERHUBER über die Notwendigkeit des ureigenen kulturellen Bewußtseins jedes Einzelnen. Warum das Bedürfnis nach Identität entsteht, wieviel es zum Selbstbewußtsein beitragen kann und wie man dennoch zusammen leben bzw. musizieren kann.

Kurzprofile WILLI RESETARITS & SIVAN PERWER Willi Resetarits (geb. am 21.12.1948 in Stinatz, Burgenland = Schütze) ist Star der Popmusik im Wiener Dialekt und bezeichnet sich in letzter Zeit als Burgenland-Kroate. Sivan Perwer (geb. 23.12.1955 in Sori im türkisch administrierten Gebiet Kurdistans = Steinbock) ist Star der kurdisch-klassischen Volksmusik und Botschafter des alten und neuen Kurdistans, nachdem er in seiner Heimat Türkei mehrmals verhaftet worden ist, weil er in seiner Muttersprache "Kurdisch" gesungen hat; seit 1976 lebt er im Exil in Deutschland. Auf Initiative von Ali Gedik - ebenfalls türkischer Kurde und in Vorarlberg aufgewachsen - sind sie nun mit dem Euphrat-Donau Orchester von 17.-26.11.06 auf Österreich-Tour, um mit zwei Musikrichtungen, die wie die Faust aufs Auge zusammen passen, eine wundersame Symbiose einzugehen. Behutsam herantastend schaffen sie das, ohne ihre jeweilige Identität abzulegen. Ganz so, wie sie sich generell das menschliche Miteinander eigenständiger Kulturen vorstellen. Dieses Konzert - mit neuen kurdischen, kroatischen und H.C.-Artmann-Liedern - soll alles bereits Gewesene noch übertreffen.
Am 17.11. spielen sie im AK-Saal in Graz, am 18.11. im Posthof in Linz, am 23.11. im Volkstheater in Wien, am 25.11.im Bregenzer Festspielhaus, und am 26.11. im Kongresshaus, Innsbruck.



Zum Unterschied von Identität in Österreich und Türkei


intimacy-art: Sie signalisieren mit Ihrem gemeinsamen Musizieren ein friedvolles Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen. Wie sehr sind Sie denn Ihrer eigenen Kultur verhaftet?
WILLI RESETARITS: Man ist ihr ein Leben lang verhaftet, weil man seine Herkunft nicht ändern kann. Die Frage ist, wie stark man sich damit auseinander setzt. Das tu ich lieber, je älter ich werde. Komischerweise.
intimacy-art: Sie haben sie eine Zeitlang sogar boykottiert, indem Sie als Teenager lieber Rock spielten.
RESETARITS: Da meine Generation als Kind in Wien, schon seitens Eltern eher zur Assimilation gedrängt wurde. Jetzt kehre ich wieder zurück zu meinen Wurzeln und sage, "ich bin Kroate". Selbst wenn ich sprachlich viel vergessen habe, und es jetzt wieder auffrischen sollte. Sich zum burgenländisch Kroatischen zu bekennen, ist in Österreich allerdings im Unterschied zum Kurden in der Türkei ungefährlich.
intimacy-art: Das ist sicher schon publik, aber ich weiß gar nicht, was Ihre Eltern eigentlich gemacht haben?
RESETARITS: Meine Eltern sind nach Wien aus dem Süd-Burgenland gezogen, damit wir Kinder an der Schulbildung teilnehmen können.
intimacy-art: Aber wann sind Sie aus Kroatien gekommen?
RESETARITS: Nie. Meine Vorfahren sind...
intimacy-art: ... Österreicher...
RESETARITS: ... vor 500 Jahren in das damalige West-Ungarn eingewandert, was seit 1921 das Burgenland ist.
intimacy-art: Sie sind also 100 Prozent Österreicher.
RESETARITS: Oder auch nicht: meine älteren Tanten, Onkel und Großeltern haben noch ungarisch in der Volksschule gelernt, und nur durch eine Verrückung der Grenze sind alle West-Ungarn Österreicher geworden. Wir waren aber schon in West-Ungarn als Ungarn-Kroaten die Minderheit.
intimacy-art: Inwiefern unterscheidet sich nun Ihr Kampf, Sivan Perwer, um die kurdische Identität?

Die doppelmoralische "Demokratie" Türkei ist noch immer ein "Gefängnis"

SIVAN PERWER: Wir sind kein freies Volk. Dieser permanente Konflikt in den Kurden macht sie unzufrieden. So wie sich Willi als Assimilierter unwohl fühlt, wegen des Nicht-respektiert-Werdens, des Verlusts seiner Herkunft, seiner Vergangenheit, des verminderten Selbstwertgefühls. Deshalb versuche ich, die Situation zu analysieren und die Wahrheit zu finden und mich dafür einzusetzen. Tut man sich aber in der Türkei mit seiner Meinung hervor, kommt man ins Gefängnis, unter Folter zum Verhör oder wird schlimmstenfalls getötet.
intimacy-art: Ist das jetzt nicht gelockert worden?
PERWER: Es ist noch immer schlimm. Sie sagen: "Du kannst Dein Lied singen", aber Kritiker kommen keine, da der Markt für Kurden verboten ist, sodass du damit auch nicht deinen Lebensunterhalt bestreiten kannst. Du kannst in kurdischer Sprache singen, aber nur klassische und Liebeslieder; keine Lieder für Kurden, über Kurdistan oder die Freiheit. Türkei ist eine Demokratie, aber niemand darf die Türkei kritisieren. Dasselbe gilt für den Iran. Die islamische Republik "hat alles", "weshalb" man sie nicht kritisieren darf.
intimacy-art: Sind Sie der Prototyp eines Kurden?
RESETARITS: Darf ich mich einmischen? Der Sivan ist insofern Prototyp eines Kurden, als dass er nicht in seiner Heimat leben kann, sondern seit 28 Jahren im Exil existieren muß...
PERWER (trippelt auf den Tisch)
RESETARITS: ... und da ist er nicht der Einzige. D.h., man lebt als Kurde auch sehr häufig in einer anderen Kultur. Sivan ist schwedischer Staatsbürger und lebt in Deutschland. Also lebt er schon kurdisch, aber nicht ganz.
PERWER (trippelt jetzt sehr ungeduldig auf den Tisch)
intimacy-art: Nicht trippeln, ich hab das übers Mikro ganz laut im Ohr....
PERWER (hört auf zu trippeln und sagt umso bestimmter): Im Denken bin ich ganz kurdisch. Von außen sind Kurden immer angepaßt und eingewandert, aber in den Gedanken sind sie kurdisch.
Ali Gedik (mischt sich ein): Ich höre immer wieder, von so vielen Kurden: Ich habe mein kurdisches Bewußtsein, erst durch Sivan Perwers Lieder erfahren. So wie kürzlich wieder ein kurdisch-türkischer Dichter, bei einem Konzert in Zürich vor 1500 Leuten, sodass dieser dann auch etwas für sein kurdisches Volk machen wollte. Durch Sivan erfahren viele erst ihre kurdischen Wurzeln.
intimacy-art: Was wahrscheinlich den politisch Andersgesinnten der störende Dorn im Auge sein wird. - Aber woher kommt der extreme Wunsch, an diesen Wurzeln, an dieser Seite in einem, festhalten zu wollen? Ich könnte ja auch sagen: ich bin Vorarlbergerin mit Südtiroler Vater in Wien und muß überall mein Südtiroler-Vorarlbergertum proklamieren.
RESETARITS: Das entsteht logischerweise durch das Verbot. Wenn es noch dazu keinen kurdischen Staat gibt, bedarf es eines größeren Aufwandes, kurdische Identität zu behalten. Da wird man automatisch nationalistisch. Sodass wir vielleicht als Österreicher, die alle Freiheiten haben, sagen, "na, sind die vielleicht net zu nationalistisch?" Uns sind ja sogar gewisse Fußballkommentatoren zu nationalistisch.
intimacy-art: Bei den Juden ist es ja lange genauso gewesen: bis sie Israel bekamen.
RESETARITS: Auch da war es so, ja.

Lesen Sie in Teil 2 des Gesprächs demnächst auf dieser Site: Wieviele Kurden es auf der Welt gibt und ihr Verhältnis zu EU, USA, Palästinensern.
(Interview-Auszug vom 20.9.2006, volle Länge in Print (Deutsch + Englisch) / Audio (Deutsch) über intimacy-art@gmx.at)

Tuesday, October 17, 2006

"Wir waren eine geächtete Familie", Aziza Mustafa Zadeh Teil 4




AZIZA MUSTAFA ZADEH und ihre Mutter ELIZA im letzten Teil des Gesprächs mit ELFI OBERHUBER: Für Einführung und Teile 1+2+3 scroll down!


Wie sich Aziza in Deutschland und weltweit durchsetzt

Photo: Aziza Mustafa Zadeh (© Gai Jeger)



intimacy-art: Nun sind Sie in eine deutsche Stadt gezogen. Wann und warum verließen Sie Baku?
AZIZA: Ich habe noch immer mein großes Haus in Baku, aber Deutschland ist Teil Europas, und es gibt in dieser westdeutschen Stadt, wo wir leben, auch etwas Spirituelles, das ich liebe; es ist die Schwesternstadt von Baku.
ELIZA: Damit Teil unseres Landes.
AZIZA: Und vor allem das Land von Bach. Und so fühle ich mich in Deutschland als Wohnort wohl.
intimacy-art: Haben Sie da eine Gemeinschaft, einen neuen Kreis, wo Sie mit Deutschen zusammen kommen?
AZIZA: Sicher, wir haben viele Freunde.
ELIZA: Natürlich.
intimacy-art: Leben Sie nicht nur in der aserbaidschanischen Kultur?
AZIZA: Nein, mit Briten, Deutschen, Franzosen, Amerikanern, etc.
intimacy-art: Ist das eine reine Künstlergemeinschaft?
AZIZA: Nicht nur. Da sind auch einfache, ganz normale Leute dabei.
intimacy-art: Aber warum verließen Sie Ihre Heimat, wegen der Arbeit oder etwas anderem?
AZIZA: Es war Gottes Wunsch.
intimacy-art: Aha.
AZIZA: Wir sind alle Lebewesen und schwimmen in einem Fluß; wer wohin geht, etwas verläßt, keiner weiß es. Menschen sind so.
intimacy-art: Aber es muß doch trotzdem einen Grund geben, warum man etwas verläßt...
AZIZA: Der Grund ist eine Naturkatastrophe in gutem Sinne.
intimacy-art: Ah, dann war es wohl aus privatem Grund.
AZIZA: Nein, wissen Sie, das ist sehr abstrakt. Niemand kennt uns, und es gibt viele Fragen.
intimacy-art: Dann lassen wir Ihnen also dieses Rätsel.
AZIZA: Ich mag ja auch Puccinis Turandot sehr gern. Da gibt es auch Rätsel.
intimacy-art: Wie leicht oder schwierig war es nun für Sie als Frau, sich in den Künsten Aserbaidschans und dann in Deutschland bzw. weltweit durchzusetzen? Gibt es da Unterschiede zu Männern?
AZIZA: Ich weiß nicht. Es gibt sicher gewisse Probleme, wenn eine Frau zu dominant ist. Das macht Männern immer Schwierigkeiten. Mich schert das aber nicht.
intimacy-art: Ich denke auch: Sie haben die richtigen Art, die Dinge zu bekommen, die Sie wollen.
ELIZA: Genau.
AZIZA: Wahrscheinlich.

Aziza - sanft und tough zugleich

intimacy-art: Sprechen Sie zu Aziza in derselben Weise wie zu Vagif? Ist die Art der Beratung die gleiche?
ELIZA: Meistens, ja, aber Aziza ist komplizierter.... Entschuldige bitte, Aziza.
AZIZA:
Das ist der Unterschied zwischen Mann und Frau.

ELIZA: Nicht nur deshalb. Vagif war einfach ein sanfterer Mensch.
AZIZA: Er war sanfter, das ist wahr.
ELIZA: Ich sage mir oft: Aziza ist nicht meine Tochter, sie ist meine Musikerin. Aziza ist sehr tough, manchmal.
AZIZA: Das tut mir leid.
ELIZA: Wenn sie etwas nicht mag, versuche ich daher subversiv und suggestiv auf sie einzuwirken. Ich grabe mich nach unten in der Argumentation und gebe ihr Zeit zum Überlegen. Denn wenn sie etwas nicht sieht, oder dafür noch nicht bereit ist, kann sie es nicht annehmen.
AZIZA: Ja, dann gibt es keine Chance, mit mir darüber zu reden. Deshalb haben die Männer Angst vor mir.
intimacy-art: Das kann ich mir vorstellen. Mich wundert aber, wie fein, sanft und bescheiden Sie beim Reden während des Konzerts sind.
AZIZA: Das ist keine normale Konversation.
intimacy-art: In der Musik sind Sie aber dann wieder total aggressiv, die Stimme wird tief und kraftvoll. Und ich dachte mir dabei, wie komisch es ist, in wieviele verschiedene Arten Sie mutieren.
AZIZA: Ähnlich wie im Leben. Ich möchte sein wie ich bin, zu Leuten sprechen, in einer normalen, verständlichen Sprache, aber auf keinen Fall irgendwelche Rollen auf der Bühne spielen. Nichts darf konstruiert sein. Alles muß sein wie es ist. Wir dürfen keine Sonne zeichnen, keinen Star, indem wir Farben verändern. Wenn eine Stimmung ihre Zeit hat, kommt sie genau so, ob zur Nacht- oder Tageszeit. Es muß bleiben, wie es ist. Und Reden an sich, das muß ich: Sagte ich gar nichts, wäre ich ein kalter Künstler. Meine Mutter sprach auf der Bühne auch schon. Denn
während des Konzerts, war meine Mutter als Sängerin...
ELIZA: ... auch Moderatorin.
AZIZA: So wie: "Jetzt hören Sie das Stück", .... den neuen Stil meines Vaters, "Begründer des Azeri-Jazz...", sie erklärte es dem Publikum, das noch nichts wußte. Als normaler menschlicher Dialog mit Emotionen und ohne Bühnengrenze.

(Interview-Auszug vom 26.10.2004, voll Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Englisch) über intimacy-art@gmx.at

Saturday, October 07, 2006

"Wir waren eine geächtete Familie", Aziza Mustafa Zadeh Teil 3




AZIZA MUSTAFA ZADEH und ihre Mutter ELIZA im Gespräch mit ELFI OBERHUBER: Für Einführung und Teile 1+2 scroll down!

Aziza findet Halt im Schamanismus


Photo: Aziza Mustafa Zadeh (© Gai Jeger)

intimacy-art:
Es ist ziemlich außergewöhnlich, dass eine Klassik-Jazz-Pianistin über Schamanismus und schamanische Spiritualität redet. Vielleicht entspricht das ja Ihrer Natur, solche Dinge zu spüren. Vielleicht liegt der Auslöser aber im Tod Ihres Vaters?

AZIZA:
Vielleicht. Ich glaube, jemand, der seine Eltern oder einen Teil davon verloren hat, versucht eine spezielle Kraft hervorzurufen, um sich selbst zu helfen. Was ich auch wollte. Ich wollte ihn zurück haben, auf irgendeine Weise. Physisch war es nicht möglich, spirituell schon. Die Schamanen verhalfen mir zu seinem Geist, sodass ich mit ihm reden kann, wannimmer ich will.

ELIZA:
Manchmal haben Aziza und ich eine komplizierte Sache durchzufechten, und ich sage, “vielleicht machen wir das und das", dann rutscht mir “Vagif... oh, entschuldige..." heraus. Ich glaube also auch, Vagif ist hier. Sonst gäbe es das nicht, dass ich immer zu ihm rede.
intimacy-art: Vielleicht ist das auch für Sie, Eliza, eine Art von Halt.
AZIZA:
Sicher.

ELIZA:
Er ist unser stabiler Punkt, ja.

intimacy-art: Aziza, Sie sagten während Ihres Konzerts, Sie hätten neben dem Engel auch das Teufelchen in sich ...
AZIZA:
Wie jeder. Jeder ist gut und schlecht.

intimacy-art:
Ist der Teufel die rebellische Person in Ihnen, die Sie auch künstlerisch beeinflußt?

AZIZA:
Vielleicht. Das ist wie in der Elektrizität mit Plus und Minus.

intimacy-art: Das alles klingt recht antiklerikal. Sind Sie keine Moslem?
AZIZA:
Nein, ich gehöre keiner Religion an. Ich glaube nur an meinen Gott, nicht an die Bibel oder anderes Niedergeschriebenes.

intimacy-art: Und früher in Rußland, da hatten Sie ja keine Religion, oder?
AZIZA: Es gibt viele Religionen in Rußland.
intimacy-art: Ja, jetzt ...
AZIZA:
Auch in meiner Heimatstadt Baku, die Russische Kirche, Synagoge ...

intimacy-art: Gab es das auch während der kommunistischen Sowjet-Regierung?
AZIZA:
Ja.

ELIZA:
Ja, immer.

AZIZA:
Es war eine religiöse Demokratie. Das war gut.

intimacy-art:
Ich dachte, Religion war bei den Russen verboten.

AZIZA:
Nun, für jemanden, der den Partei-Schein hatte, also der Kommunistische-Partei-Angehöriger war, war es nicht erlaubt, zur Kirche zu gehen. Doch einige von ihnen gingen heimlich.

ELIZA:
Normale Bürger konnten schon gehen.

AZIZA:
Ich verstehe nicht, warum die Kommunisten einerseits sagten, “wir sind Atheisten", und andererseits für Lenin ein Mausoleum bauten, um ihn anzubeten: “Unser Lenin",rufen sie. Das ist ja genauso religiös. Vielleicht hätte der arme Lenin ein normales Begräbnis gebraucht. Und vielleicht gibt es deshalb so viele unglückliche Menschen in Rußland. Denn er müßte als Mensch doch zur Erde werden.

intimacy-art:
Haben Sie kein Begräbnis in Rußland?

AZIZA:
Doch sicher, aber der arme Lenin nicht. Er ist im Mausoleum.

ELIZA: Leute aus verschiedensten Religionsrichtungen kritisieren das.
AZIZA:
Der Mensch muß zur Erde kommen, zu unser aller Mutter, und dann kommt er in den Himmel. Vielleicht leidet Lenins Geist!


Aziza wartet auf ihren Engel-Mann


intimacy-art:
Das ist auch ein eigenartiges Phänomen an Ihnen, dass Sie wie eine Predigerin auf der Bühne wirken, indem Sie für das Gute im Menschen plädieren ....

AZIZA:
Das bringt die Musikrichtung Mugam mit sich: es ist ein Gebet. Wir preisen darin Gott, bekennen uns zur Liebe, zur Erde, zu Gott, zum Himmel, zu den Eltern, zum Geliebten.
intimacy-art: Möchten Sie eines Tages selbst Mutter sein und eine Familie gründen?
AZIZA:
Ich glaube nicht.

intimacy-art: Nein?
AZIZA: Es existiert kein Mann, der zu mir paßt.
ELIZA: Oh, mein Gott!
intimacy-art: Vielleicht später.
AZIZA:
Vielleicht kommt ein Sternen-Mann vom Himmel. Bisher traf ich keinen, der ausreichend Kavalier und Gentleman war.

intimacy-art:
Sie brauchen also einen altmodischen Mann mit Mannieren.

AZIZA:
Jedenfalls keinen, der nur meinen Körper und meine Position liebt. Tatsächlich brauche ich ja überhaupt niemanden. Aber wenn, dann einen, der sehr gesund denkt, Musik und Natur liebt, der keine Tiere ißt und sauber ist .... Eine lange Liste.

ELIZA: Unmöglich zu erfüllen.
intimacy-art: Fühlen Sie sich nie einsam?
AZIZA:
Nein, ich liebe Tiere.

intimacy-art: Das ist typisch für den Schützen.
AZIZA:
Genau, Schütze. Das sind wir beide.

intimacy-art:
Ja, ich weiß.

ELIZA:
Das wissen Sie?

intimacy-art: Ja. Ich las es.
ELIZA:
Zwischen uns liegen zwei Tage.

intimacy-art:
Ja. Aber was war Ihr Vater?

AZIZA:
Mein Vater war eine Ausnahme für meine Mutter. Das war das perfekte Ehepaar.

intimacy-art:
Wann hatte er Geburtstag?

AZIZA:
Am 16. März.

intimacy-art:
Ein Fisch.

ELIZA:
Das weiß ich gar nicht mehr.

AZIZA:
Er war der größte Fisch, ein goldener Fisch.

intimacy-art:
Sehr interessant. Aber das alles ist typisch für den Schützen: er reist gerne um die Welt, ist freiheitsliebend, künstlerisch, er liebt Tiere, glaubt an das Gute im Menschen und ist diesbezüglich sehr idealistisch und vertrauensselig.

AZIZA: Absolut wahr, ja.

Lesen Sie in Teil 4 demnächst auf dieser Site: Wie Aziza sich in Deutschland und als Frau durchsetzt
(Interview-Auszug vom 26.10.2004, voll Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Englisch) über intimacy-art@gmx.at