Saturday, October 07, 2006

"Wir waren eine geächtete Familie", Aziza Mustafa Zadeh Teil 3




AZIZA MUSTAFA ZADEH und ihre Mutter ELIZA im Gespräch mit ELFI OBERHUBER: Für Einführung und Teile 1+2 scroll down!

Aziza findet Halt im Schamanismus


Photo: Aziza Mustafa Zadeh (© Gai Jeger)

intimacy-art:
Es ist ziemlich außergewöhnlich, dass eine Klassik-Jazz-Pianistin über Schamanismus und schamanische Spiritualität redet. Vielleicht entspricht das ja Ihrer Natur, solche Dinge zu spüren. Vielleicht liegt der Auslöser aber im Tod Ihres Vaters?

AZIZA:
Vielleicht. Ich glaube, jemand, der seine Eltern oder einen Teil davon verloren hat, versucht eine spezielle Kraft hervorzurufen, um sich selbst zu helfen. Was ich auch wollte. Ich wollte ihn zurück haben, auf irgendeine Weise. Physisch war es nicht möglich, spirituell schon. Die Schamanen verhalfen mir zu seinem Geist, sodass ich mit ihm reden kann, wannimmer ich will.

ELIZA:
Manchmal haben Aziza und ich eine komplizierte Sache durchzufechten, und ich sage, “vielleicht machen wir das und das", dann rutscht mir “Vagif... oh, entschuldige..." heraus. Ich glaube also auch, Vagif ist hier. Sonst gäbe es das nicht, dass ich immer zu ihm rede.
intimacy-art: Vielleicht ist das auch für Sie, Eliza, eine Art von Halt.
AZIZA:
Sicher.

ELIZA:
Er ist unser stabiler Punkt, ja.

intimacy-art: Aziza, Sie sagten während Ihres Konzerts, Sie hätten neben dem Engel auch das Teufelchen in sich ...
AZIZA:
Wie jeder. Jeder ist gut und schlecht.

intimacy-art:
Ist der Teufel die rebellische Person in Ihnen, die Sie auch künstlerisch beeinflußt?

AZIZA:
Vielleicht. Das ist wie in der Elektrizität mit Plus und Minus.

intimacy-art: Das alles klingt recht antiklerikal. Sind Sie keine Moslem?
AZIZA:
Nein, ich gehöre keiner Religion an. Ich glaube nur an meinen Gott, nicht an die Bibel oder anderes Niedergeschriebenes.

intimacy-art: Und früher in Rußland, da hatten Sie ja keine Religion, oder?
AZIZA: Es gibt viele Religionen in Rußland.
intimacy-art: Ja, jetzt ...
AZIZA:
Auch in meiner Heimatstadt Baku, die Russische Kirche, Synagoge ...

intimacy-art: Gab es das auch während der kommunistischen Sowjet-Regierung?
AZIZA:
Ja.

ELIZA:
Ja, immer.

AZIZA:
Es war eine religiöse Demokratie. Das war gut.

intimacy-art:
Ich dachte, Religion war bei den Russen verboten.

AZIZA:
Nun, für jemanden, der den Partei-Schein hatte, also der Kommunistische-Partei-Angehöriger war, war es nicht erlaubt, zur Kirche zu gehen. Doch einige von ihnen gingen heimlich.

ELIZA:
Normale Bürger konnten schon gehen.

AZIZA:
Ich verstehe nicht, warum die Kommunisten einerseits sagten, “wir sind Atheisten", und andererseits für Lenin ein Mausoleum bauten, um ihn anzubeten: “Unser Lenin",rufen sie. Das ist ja genauso religiös. Vielleicht hätte der arme Lenin ein normales Begräbnis gebraucht. Und vielleicht gibt es deshalb so viele unglückliche Menschen in Rußland. Denn er müßte als Mensch doch zur Erde werden.

intimacy-art:
Haben Sie kein Begräbnis in Rußland?

AZIZA:
Doch sicher, aber der arme Lenin nicht. Er ist im Mausoleum.

ELIZA: Leute aus verschiedensten Religionsrichtungen kritisieren das.
AZIZA:
Der Mensch muß zur Erde kommen, zu unser aller Mutter, und dann kommt er in den Himmel. Vielleicht leidet Lenins Geist!


Aziza wartet auf ihren Engel-Mann


intimacy-art:
Das ist auch ein eigenartiges Phänomen an Ihnen, dass Sie wie eine Predigerin auf der Bühne wirken, indem Sie für das Gute im Menschen plädieren ....

AZIZA:
Das bringt die Musikrichtung Mugam mit sich: es ist ein Gebet. Wir preisen darin Gott, bekennen uns zur Liebe, zur Erde, zu Gott, zum Himmel, zu den Eltern, zum Geliebten.
intimacy-art: Möchten Sie eines Tages selbst Mutter sein und eine Familie gründen?
AZIZA:
Ich glaube nicht.

intimacy-art: Nein?
AZIZA: Es existiert kein Mann, der zu mir paßt.
ELIZA: Oh, mein Gott!
intimacy-art: Vielleicht später.
AZIZA:
Vielleicht kommt ein Sternen-Mann vom Himmel. Bisher traf ich keinen, der ausreichend Kavalier und Gentleman war.

intimacy-art:
Sie brauchen also einen altmodischen Mann mit Mannieren.

AZIZA:
Jedenfalls keinen, der nur meinen Körper und meine Position liebt. Tatsächlich brauche ich ja überhaupt niemanden. Aber wenn, dann einen, der sehr gesund denkt, Musik und Natur liebt, der keine Tiere ißt und sauber ist .... Eine lange Liste.

ELIZA: Unmöglich zu erfüllen.
intimacy-art: Fühlen Sie sich nie einsam?
AZIZA:
Nein, ich liebe Tiere.

intimacy-art: Das ist typisch für den Schützen.
AZIZA:
Genau, Schütze. Das sind wir beide.

intimacy-art:
Ja, ich weiß.

ELIZA:
Das wissen Sie?

intimacy-art: Ja. Ich las es.
ELIZA:
Zwischen uns liegen zwei Tage.

intimacy-art:
Ja. Aber was war Ihr Vater?

AZIZA:
Mein Vater war eine Ausnahme für meine Mutter. Das war das perfekte Ehepaar.

intimacy-art:
Wann hatte er Geburtstag?

AZIZA:
Am 16. März.

intimacy-art:
Ein Fisch.

ELIZA:
Das weiß ich gar nicht mehr.

AZIZA:
Er war der größte Fisch, ein goldener Fisch.

intimacy-art:
Sehr interessant. Aber das alles ist typisch für den Schützen: er reist gerne um die Welt, ist freiheitsliebend, künstlerisch, er liebt Tiere, glaubt an das Gute im Menschen und ist diesbezüglich sehr idealistisch und vertrauensselig.

AZIZA: Absolut wahr, ja.

Lesen Sie in Teil 4 demnächst auf dieser Site: Wie Aziza sich in Deutschland und als Frau durchsetzt
(Interview-Auszug vom 26.10.2004, voll Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Englisch) über intimacy-art@gmx.at

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