Tuesday, October 17, 2006

"Wir waren eine geächtete Familie", Aziza Mustafa Zadeh Teil 4




AZIZA MUSTAFA ZADEH und ihre Mutter ELIZA im letzten Teil des Gesprächs mit ELFI OBERHUBER: Für Einführung und Teile 1+2+3 scroll down!


Wie sich Aziza in Deutschland und weltweit durchsetzt

Photo: Aziza Mustafa Zadeh (© Gai Jeger)



intimacy-art: Nun sind Sie in eine deutsche Stadt gezogen. Wann und warum verließen Sie Baku?
AZIZA: Ich habe noch immer mein großes Haus in Baku, aber Deutschland ist Teil Europas, und es gibt in dieser westdeutschen Stadt, wo wir leben, auch etwas Spirituelles, das ich liebe; es ist die Schwesternstadt von Baku.
ELIZA: Damit Teil unseres Landes.
AZIZA: Und vor allem das Land von Bach. Und so fühle ich mich in Deutschland als Wohnort wohl.
intimacy-art: Haben Sie da eine Gemeinschaft, einen neuen Kreis, wo Sie mit Deutschen zusammen kommen?
AZIZA: Sicher, wir haben viele Freunde.
ELIZA: Natürlich.
intimacy-art: Leben Sie nicht nur in der aserbaidschanischen Kultur?
AZIZA: Nein, mit Briten, Deutschen, Franzosen, Amerikanern, etc.
intimacy-art: Ist das eine reine Künstlergemeinschaft?
AZIZA: Nicht nur. Da sind auch einfache, ganz normale Leute dabei.
intimacy-art: Aber warum verließen Sie Ihre Heimat, wegen der Arbeit oder etwas anderem?
AZIZA: Es war Gottes Wunsch.
intimacy-art: Aha.
AZIZA: Wir sind alle Lebewesen und schwimmen in einem Fluß; wer wohin geht, etwas verläßt, keiner weiß es. Menschen sind so.
intimacy-art: Aber es muß doch trotzdem einen Grund geben, warum man etwas verläßt...
AZIZA: Der Grund ist eine Naturkatastrophe in gutem Sinne.
intimacy-art: Ah, dann war es wohl aus privatem Grund.
AZIZA: Nein, wissen Sie, das ist sehr abstrakt. Niemand kennt uns, und es gibt viele Fragen.
intimacy-art: Dann lassen wir Ihnen also dieses Rätsel.
AZIZA: Ich mag ja auch Puccinis Turandot sehr gern. Da gibt es auch Rätsel.
intimacy-art: Wie leicht oder schwierig war es nun für Sie als Frau, sich in den Künsten Aserbaidschans und dann in Deutschland bzw. weltweit durchzusetzen? Gibt es da Unterschiede zu Männern?
AZIZA: Ich weiß nicht. Es gibt sicher gewisse Probleme, wenn eine Frau zu dominant ist. Das macht Männern immer Schwierigkeiten. Mich schert das aber nicht.
intimacy-art: Ich denke auch: Sie haben die richtigen Art, die Dinge zu bekommen, die Sie wollen.
ELIZA: Genau.
AZIZA: Wahrscheinlich.

Aziza - sanft und tough zugleich

intimacy-art: Sprechen Sie zu Aziza in derselben Weise wie zu Vagif? Ist die Art der Beratung die gleiche?
ELIZA: Meistens, ja, aber Aziza ist komplizierter.... Entschuldige bitte, Aziza.
AZIZA:
Das ist der Unterschied zwischen Mann und Frau.

ELIZA: Nicht nur deshalb. Vagif war einfach ein sanfterer Mensch.
AZIZA: Er war sanfter, das ist wahr.
ELIZA: Ich sage mir oft: Aziza ist nicht meine Tochter, sie ist meine Musikerin. Aziza ist sehr tough, manchmal.
AZIZA: Das tut mir leid.
ELIZA: Wenn sie etwas nicht mag, versuche ich daher subversiv und suggestiv auf sie einzuwirken. Ich grabe mich nach unten in der Argumentation und gebe ihr Zeit zum Überlegen. Denn wenn sie etwas nicht sieht, oder dafür noch nicht bereit ist, kann sie es nicht annehmen.
AZIZA: Ja, dann gibt es keine Chance, mit mir darüber zu reden. Deshalb haben die Männer Angst vor mir.
intimacy-art: Das kann ich mir vorstellen. Mich wundert aber, wie fein, sanft und bescheiden Sie beim Reden während des Konzerts sind.
AZIZA: Das ist keine normale Konversation.
intimacy-art: In der Musik sind Sie aber dann wieder total aggressiv, die Stimme wird tief und kraftvoll. Und ich dachte mir dabei, wie komisch es ist, in wieviele verschiedene Arten Sie mutieren.
AZIZA: Ähnlich wie im Leben. Ich möchte sein wie ich bin, zu Leuten sprechen, in einer normalen, verständlichen Sprache, aber auf keinen Fall irgendwelche Rollen auf der Bühne spielen. Nichts darf konstruiert sein. Alles muß sein wie es ist. Wir dürfen keine Sonne zeichnen, keinen Star, indem wir Farben verändern. Wenn eine Stimmung ihre Zeit hat, kommt sie genau so, ob zur Nacht- oder Tageszeit. Es muß bleiben, wie es ist. Und Reden an sich, das muß ich: Sagte ich gar nichts, wäre ich ein kalter Künstler. Meine Mutter sprach auf der Bühne auch schon. Denn
während des Konzerts, war meine Mutter als Sängerin...
ELIZA: ... auch Moderatorin.
AZIZA: So wie: "Jetzt hören Sie das Stück", .... den neuen Stil meines Vaters, "Begründer des Azeri-Jazz...", sie erklärte es dem Publikum, das noch nichts wußte. Als normaler menschlicher Dialog mit Emotionen und ohne Bühnengrenze.

(Interview-Auszug vom 26.10.2004, voll Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Englisch) über intimacy-art@gmx.at

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