Wednesday, April 04, 2007

Martin Heckmanns 2: "Wie wär´s mit einem Subventionsmodell für widerspenstige Künstler?"











Der derzeit am Wiener Burgtheater mit Da
s wundervolle Zwischending gespielte Autor MARTIN HECKMANNS im zweiten Teil des Gesprächs mit ELFI OBERHUBER. Für Einführung und Teil1 scroll down.

Martin Heckmanns
(photos © Elfi Oberhuber
)



Nach dem Medienkonsum-Wahnsinn kommt die Suc
he nach dem Eigenen

Zwei Textauszüge aus Martin Heckmanns
Stück Schieß doch, Kaufhaus!,
worin Kli
ng, Ätz und Knax
in Sachen globaler Markenware
nicht ganz einer Meinung sin
d ...

intimacy-art: Ist unsere Welt so, dass die Anforderungen seitens Industrie immer konkreter und gezielter werden, sodass sich die Menschen mehr auf sich selbst besinnen, um das zu finden, was tatsächlich "eigen" ist? Dass sie dafür den "echten Ausdruck" suchen und darauf kommen, dass das Echte nicht zu benennen ist, sondern nur ein Gefühl hinter allem Gesagten ist?
HECKMANNS: Die damit einher gehende Ironie ist wahrscheinlich weniger eine Haltung als ein Effekt erhöhten Medienkonsums. Dass man sich fragt, was die eigene Sprache sein könnte, welche Situationen wie vorgeprägt sind. Und man sich selbst nicht mehr traut. Denn darum geht es in Liebesbeziehungen wie im Stück Das wundervolle Zwischending: Momente zu finden, die noch nicht verbraucht sind, damit ein Paar noch eine eigene Form der Intimität herstellen kann.
intimacy-art: Verändert sich auch die Art zu leben, wenn man so eine "intime" Sprache pflegt? Oder bleibt das Leben in Ablauf und Qualität so routiniert banal, wie wir es alle kennen?
HECKMANNS:
Dass sich zum Beispiel
diese beiden Figuren im Stück isolieren, hat damit zu tun. Sie nehmen dieses Projekt, ihre Liebesgeschichte zu verfilmen, so existenziell wichtig, dass sie gar keine Außenkontakte mehr pflegen. Denn das würde ihren Kampf um Nähe relativieren. Das ist gleichzeitig die Gefahr. Man sollte es schon noch schaffen, zum Beispiel mit Medienvertretern zu sprechen.
intimacy-art:
Ja, die z
wei Figuren, Johann und Anne im Stück, hätten mir wahrscheinlich einen Korb gegeben und nicht mit mir gesprochen.
HECKMANNS: Der Mann vom Amt kann gerade noch mit ihnen reden, es wird aber schon schwierig.


Softskill-Terror - Wenn Privates an die Öffentlichkeit verkauft werden muß

intimacy-art: Der Mann vom Amt möchte die beiden auch dazu überreden, "ihre Intimität" an die Öffentlichkeit zu "verkaufen". Das hat doch mit Ihrer generellen Gesellschaftskritik der "Softskills" zu tun, wodurch sich die "unbrauchbaren" Menschen, sprich die Kreativdenkenden, die Geisteswissenschaftler, lediglich in Wirtschaft und Gesellschaft vermarkten lassen. Nicht?
HECKMANNS: Ich beschreibe das zuerst einmal: Kommunikationsfähigkeiten, die man alltäglich oder in der Liebesbeziehung verwendet, kann man gleichzeitig als Softskills verkaufen. Dadurch fängt man an, diesen Kommunikationsfähigkeiten zu mißtrauen. Das Paar geht im Stück also gegen sich vor, weil es diese Qualitäten als Verkaufsqualitäten an-sich nicht schätzt und trotzdem merkt, dass der andere auch auf einen schaut, wie auf jemanden, der sich gerade anbietet.
intimacy-art: Soll das nun aber sein, dass die Künstler gefördert werden, und wenn ja, sollen sie ihre intimsten, provokantesten Ideen ausdrücken können, oder nicht?
HECKMANNS:
Ich halte es für die perfidere Herrschaftsstrategie, Freiraum zu geben und sich Künstler zu halten
wie in einem Kindergarten und deren Verausgabung zu konsumieren.
intimacy-art
: Sie meinen also: Jeder Künstler braucht seine Schranken, einen Widerstand?
HECKMANNS: Es gibt eine Richtung vor, wenn man weiß, gegen welche Grenzen man zu agieren hat.


Auf dass die Anarchie gesellschaftsfähig wird

Zwei Textauszüge aus Martin Heckmanns
Stück Das wundervolle Zwischending,
worin das Künstlerpaar Anne und Johann
mit dem Gegenspieler (Mann vom Amt)
um
Privatheit und Echtheit seiner Liebe
mittels Film ringt
und das nicht als Kunst "verkaufen" will ...

intimacy-art: Könnte nicht eine Humanitätsvision sein, dass solche alternativen Leute zu einer Gegenbewegung zur dominanten Wirtschaft führen, in der immer weniger Manager immer mehr verdienen und das Arm-Reich-Gefälle ständig wächst? Dass also etwa die immer öfter zu den Arbeitslosen gehörenden, sprach- und denkfähigen Akademiker innerhalb dieser Szene etwas auf die Beine stellen und damit aus sich heraus einen Ausgleich schaffen, ohne sich direkt an diese Wirtschaft anzubinden? Könnte so die Anarchie gesellschaftsfähig werden?
HECKMANNS:
"Die A
narchie wird gesellschaftsfähig.“ Schönes Paradoxon. Hoffen wir das, ja. (lacht)
intimacy-art (lacht):
Sehen Sie denn die Integration der freien
Künste ins Wirtschaftsleben als positiv an?
HECKMANNS (schüttelt den Kopf)
intimacy-art: Nein?
HECKMANNS: Das Problem ist im Stück thematisiert: Will man sich verkaufen oder will man die Eigenheit bewahren? Den beiden Liebenden geht es darum, etwas zu schaffen, was einerseits eigen ist, andererseits auch noch von außen verstanden wird. - Und da ist das Problem: Sobald jemand sagt, es könne gefördert werden, aber mit anderen Darstellern, ziehen sie ihr Werk zurück. Sie sagen: "Verkaufen wollten wir uns nicht".


Wie wertvolle (trotzige) Künstlerindividuen zu fördern sind

intimacy-art: Sind Sie nun aber dafür, dass sie auf die Förderbedingung eingehen?
HECKMANNS:
Ne
in, dass sie sich ihre Eigenheiten bewahren.
intimacy-art: Sie sollen den Film also nicht verkaufen?
HECKM
ANNS (tr
otzig): Genau. Sie sollen für sich bleiben und dagegen sein.
intimacy-art:
Und von der Sozialhilfe leben.

HECKMANNS: Ja.
intimacy-art:
O.k., n
a gut. Dann müßte man ein Subventionsmodell finden ...
HECKMANNS:
... für widerspenstige K
ünstler.
intimacy-art:
Ja. Und dass man es anders nenn
t als "Sozial- oder AMS-Hilfe", damit es nicht so traurig klingt. - Andererseits: Will nicht jeder seine authentische Kunst herzeigen? Sie wollen doch auch Ihre Sachen zeigen.
HECKMANNS: Ja, aber sie werden entwertet, sobald sie bezahlt werden.


Lesen Sie in Teil 3 demnächst auf dieser Site: Worin die Gefahr liegt, wenn ein Paar nach sieben Jahren Beisammensein die frühere Intensität ihrer Liebe wieder erwecken will. Mit wirklich intimen und scharfen Textauszügen aus Das wundervolle Zwischending ...

(Interview-Auszug vom 20.1.2007, volle Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Deutsch) über intimacy-art@gmx.at)

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