
Der derzeit am Wiener Burgtheater mit Das wundervolle Zwischending gespielte Autor MARTIN HECKMANNS im zweiten Teil des Gesprächs mit ELFI OBERHUBER. Für Einführung und Teil1 scroll down.
Martin Heckmanns
(photos © Elfi Oberhuber)
Nach dem Medienkonsum-Wahnsinn kommt die Suche nach dem Eigenen
Zwei Textauszüge aus Martin Heckmanns
Stück Schieß doch, Kaufhaus!,
worin Kling, Ätz und Knax
in Sachen globaler Markenware
nicht ganz einer Meinung sind ...

HECKMANNS: Die damit einher gehende Ironie ist wahrscheinlich weniger eine Haltung als ein Effekt erhöhten Medienkonsums. Dass man sich fragt, was die eigene Sprache sein könnte, welche Situationen wie vorgeprägt sind. Und man sich selbst nicht mehr traut. Denn darum geht es in Liebesbeziehungen wie im Stück Das wundervolle Zwischending: Momente zu finden, die noch nicht verbraucht sind, damit ein Paar noch eine eigene Form der Intimität herstellen kann.
intimacy-art: Verändert sich auch die Art zu leben, wenn man so eine "intime" Sprache pflegt? Oder bleibt das Leben in Ablauf und Qualität so routiniert banal, wie wir es alle kennen?
HECKMANNS: Dass sich zum Beispiel diese beiden Figuren im Stück isolieren, hat damit zu tun. Sie nehmen dieses Projekt, ihre Liebesgeschichte zu verfilmen, so existenziell wichtig, dass sie gar keine Außenkontakte mehr pflegen. Denn das würde ihren Kampf um Nähe relativieren. Das ist gleichzeitig die Gefahr. Man sollte es schon noch schaffen, zum Beispiel mit Medienvertretern zu sprechen.
intimacy-art: Ja, die zwei Figuren, Johann und Anne im Stück, hätten mir wahrscheinlich einen Korb gegeben und nicht mit mir gesprochen.
HECKMANNS: Der Mann vom Amt kann gerade noch mit ihnen reden, es wird aber schon schwierig.
Softskill-Terror - Wenn Privates an die Öffentlichkeit verkauft werden muß
HECKMANNS: Ich beschreibe das zuerst einmal: Kommunikationsfähigkeiten, die man alltäglich oder in der Liebesbeziehung verwendet, kann man gleichzeitig als Softskills verkaufen. Dadurch fängt man an, diesen Kommunikationsfähigkeiten zu mißtrauen. Das Paar geht im Stück also gegen sich vor, weil es diese Qualitäten als Verkaufsqualitäten an-sich nicht schätzt und trotzdem merkt, dass der andere auch auf einen schaut, wie auf jemanden, der sich gerade anbietet.
intimacy-art: Soll das nun aber sein, dass die Künstler gefördert werden, und wenn ja, sollen sie ihre intimsten, provokantesten Ideen ausdrücken können, oder nicht?
HECKMANNS: Ich halte es für die perfidere Herrschaftsstrategie, Freiraum zu geben und sich Künstler zu halten wie in einem Kindergarten und deren Verausgabung zu konsumieren.
intimacy-art: Sie meinen also: Jeder Künstler braucht seine Schranken, einen Widerstand?
HECKMANNS: Es gibt eine Richtung vor, wenn man weiß, gegen welche Grenzen man zu agieren hat.
Auf dass die Anarchie gesellschaftsfähig wird
Zwei Textauszüge aus Martin Heckmanns
Stück Das wundervolle Zwischending,
worin das Künstlerpaar Anne und Johann
mit dem Gegenspieler (Mann vom Amt)
um Privatheit und Echtheit seiner Liebe
mittels Film ringt
und das nicht als Kunst "verkaufen" will ...
HECKMANNS: "Die Anarchie wird gesellschaftsfähig.“ Schönes Paradoxon. Hoffen wir das, ja. (lacht)
intimacy-art (lacht): Sehen Sie denn die Integration der freien Künste ins Wirtschaftsleben als positiv an?
HECKMANNS (schüttelt den Kopf)
intimacy-art: Nein?
HECKMANNS: Das Problem ist im Stück thematisiert: Will man sich verkaufen oder will man die Eigenheit bewahren? Den beiden Liebenden geht es darum, etwas zu schaffen, was einerseits eigen ist, andererseits auch noch von außen verstanden wird. - Und da ist das Problem: Sobald jemand sagt, es könne gefördert werden, aber mit anderen Darstellern, ziehen sie ihr Werk zurück. Sie sagen: "Verkaufen wollten wir uns nicht".
Wie wertvolle (trotzige) Künstlerindividuen zu fördern sind
intimacy-art: Sind Sie nun aber dafür, dass sie auf die Förderbedingung eingehen?
HECKMANNS: Nein, dass sie sich ihre Eigenheiten bewahren.
intimacy-art: Sie sollen den Film also nicht verkaufen?
HECKMANNS (trotzig): Genau. Sie sollen für sich bleiben und dagegen sein.
intimacy-art: Und von der Sozialhilfe leben.
HECKMANNS: Ja.
intimacy-art: O.k., na gut. Dann müßte man ein Subventionsmodell finden ...
HECKMANNS: ... für widerspenstige Künstler.
intimacy-art: Ja. Und dass man es anders nennt als "Sozial- oder AMS-Hilfe", damit es nicht so traurig klingt. - Andererseits: Will nicht jeder seine authentische Kunst herzeigen? Sie wollen doch auch Ihre Sachen zeigen.
HECKMANNS: Ja, aber sie werden entwertet, sobald sie bezahlt werden.
(Interview-Auszug vom 20.1.2007, volle Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Deutsch) über intimacy-art@gmx.at)
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