Tuesday, February 27, 2007

Martin Heckmanns 1: "Es blendet zu viel aus, wenn man weiß, wie "es" geht"


Martin Heckmanns (photos © Elfi Oberhuber)


MARTIN HECKMANNS - einer der angesagtesten Autoren des deutschsprachigen Raums - ist mit Das wundervolle Zwischending gerade am Wiener Burgtheater im Vestibül zu sehen, worin ein Künstlerpaar in einer sprachvoll-sprachlosen Welt der Arbeitslosen und Beziehungsprobleme um Liebe und Kunst ringt. Nach der Lesung zweier Monologe in Wien beschreibt der Sprachvirtuose ELFI OBERHUBER "sein" Dilemma genauer: Echte Kunst schöpft aus der Intimität. Doch kaum wird sie veröffentlicht, hat sie sie auch schon verloren - zumindest für den schaffenden Künstler.

Kurzprofil MARTIN HECKMANNS (geb. 19.10.1971 in Mönchengladbach/Deutschland, Sternbild Waage) wird als "begabter, etwas einsamer Linguist unter den jüngeren Dramatikern" gehandelt. So schnell Martin Heckmanns seine eigenen Texte liest, so langsam genießt sie der Leser, so mannigfaltig kann sie der Schauspieler aufladen. Mit dem Schreiben begann Heckmanns 1998: den Monolog Finnisch oder Ich möchte dich vielleicht berühren für seinen Schauspieler-Freund Christian Banzhaf. Seitdem hat Heckmanns Aufenthaltsstipendien und für beinahe jedes Stück Preise erhalten. Disco (UA 2001) ist eine Aufreißer-Analyse über drei Burschen. Schieß doch, Kaufhaus! - mit dem Heckmanns Theater-heute Dramatiker 2002 wurde - enthält Globalisierungskritik, Kränk familiären Generationskonflikt, und Die Liebe zur Leere eine Don-Juan-Persiflage. Alle drei Uraufführungen inszenierte 2002 /04 /06 Simone Blattner am Staatsschauspiel Dresden / Thalia Theater Hamburg bzw. am schauspiel-frankfurt. In Anrufung des Herrn (UA 04) spielt Heckmanns´ Sprache mit der Todesangst und in Das wundervolle Zwischending (UA 05) mit Liebe und Kunst. Kürzlich inszenierte Intendant Hasko Weber, dessen Staatstheater Stuttgart zum Theater des Jahres 2006 gekürt wurde, im Haupthaus die Uraufführung von Wörter und Körper, ein Stück über eine suchende Enddreißigerin, die die Suche findet. Dem wurde im Sinne von Verlust der eigenständige Monolog Das offene Fenster oder Von der Abwesenheit - ein Gedenken an einen befreundeten Selbstmörder - voran gestellt. Und die jüngste Uraufführung erfolgte am 24.3.07 mit Kommt ein Mann zur Welt am Düsseldorfer Schauspielhaus, worin "Bruno" als Künstlersohn auch zum Künstler wird und auch nur ein Mensch ist... Heckmanns Texte werden vom Suhrkamp Theaterverlag in Frankfurt heraus gegeben.

- Wie Martin Heckmanns im Vergleich zu anderen Autoren einzuordnen ist, erfährt man über intimacy: art (www.intimacy-art.com) in aKtuell / REALNEWS / WATCHER (bzw. TIPPS) / Archives: February 2007. Titel: JUGEND IM INTELLEKTUELLENFIEBER - NEUE AUTOREN SUCHEN ECHTHEIT UND NÄHE: VON MARTIN HECKMANNS BIS MICHAL WALCZAK - Scroll down!

- Die Burgtheater-Kritik zu Das wundervolle Zwischending ist auf intimacy: art (www.intimacy-art.com) in aKtuell / REALNEWS / CRITIC / Archives: January 2007 nachzulesen. Titel: THEATER: RUDOLF FREY UND MARTIN HECKMANNS KONGENIAL - IN "DAS WUNDERVOLLE ZWISCHENDING"
- Scroll down!
Aufführungen: Das wundervolle Zwischending * Von: Martin Heckmanns * Regie: Rudolf Frey * Mit: Stefanie Dvorak, Johannes Krisch, Roland Kenda * Ort: Burgtheater im Vestibül, Wien * Zeit: 15.2.2008: 20h


Unsicherheit als erwartete Leistung

Textauszüge (unten) aus Martin Heckmanns´ Monolog
Finnisch oder Ich möchte dich vielleicht berühren
,
über einen romantisch-sensiblen Nichtdraufgänger,
der sich selbst ein Paket schickt und das ganze Stück über
philosophierend probt, wie er der Postbotin näher kommen könnte


intimacy-art: Ich habe Sie gerade fotografiert und damit in das Gefühl, veröffentlicht zu werden, versetzt. Als Schreibender sind Sie dagegen immer introvertiert. Speziell Sie sind wahrscheinlich sogar dazu fähig, sich in Depressionen einzufühlen.
MARTIN HECKMANNS: Die Person, die man in der Öffentlichkeit zu sein hat, mit der Schreibperson in Einklang zu bringen, ist tatsächlich schwierig. Im Schreiben fühle ich mich wohler. Und sicher weiß ich nicht, ob das Geschriebene meinen Kommentar noch braucht.
intimacy-art: Genau darum geht es in Ihren Werken, aber auch um Echtheit und Wahrheit. So hätte ich zu diesem Interview vielleicht unvorbereitet kommen sollen, um den Lesern diesen Wahrheitszustand einer ersten Begegnung zu vermitteln. Denn mit Konzept dominiert der Leistungsanspruch, die gezielte Verkaufsmöglichkeit dieses Gesprächs und Ihrer Person.
HECKMANNS: Es wäre auf jeden Fall eine unbeschwertere Begegnung gewesen. Jetzt sprechen wir auch mit imaginierten Lesern. Und wissen nie genau, mit wem wir sprechen. Das gilt auch für das Schreiben für die Bühne: Sitze ich dann in der Vorstellung und sehe ich die realen Zuschauer, ist die Anspannung enorm hoch. Wäre diese Anspannung beim Schreiben immer präsent, könnte ich keinen Satz beenden. Die Erwartungen sind unüberschaubar.
intimacy-art: Gesteigert wird das in Ihrem Fall noch dadurch, da Sie absolute Intimität einfordern und treffen. Insofern sollten die Erwartungen des Publikums dem aber wieder entsprechen.
HECKMANNS: Echte Innigkeit erreicht man nur im Zweiergespräch. Wenn die zwei Personen auf der Bühne miteinander ringen, hat man als Autor ausschließlich für jene beiden den Moment der Nähe erzeugt.

Unsicherheit als Lebenslage

intimacy-art: Gleichzeitig muß man sagen, dass sich die Protagonisten in Ihren Stücken immer in einem unsicheren Schwebezustand befinden. Sowohl privat, als auch öffentlich (beruflich). Geht es Ihnen so?
HECKMANNS: Ich schätze dieses Gefühl eigentlich. Unsicherheit hat mit Sensibilität gegenüber der jeweiligen Situation zu tun, die man nicht "beherrscht". Das ist für das Schreiben eine gute Voraussetzung. Indem man versucht, sich zu orientieren, zuvor aber die Unübersichtlichkeit der Situation akzeptiert.
intimacy-art: Hatten Sie schon eigene Sorgen, die Sie so treffend an- und aussprechen?
HECKMANNS: Die Situation von meinem ersten Monolog Finnisch oder Ich möchte dich vielleicht berühren kennt jeder, glaube ich: Dass man nicht weiß, wie eine Kontaktaufnahme mit einem begehrten Menschen glücken soll, wie ein Anfang funktionieren könnte, was man überhaupt von einer Begegnung erwarten darf.
intimacy-art: Obwohl Sie optisch nicht gerade häßlich und unscheinbar sind. Man stellt sich bei solcher Schüchternheit einen ganz anderen Typen vor.
HECKMANNS: In jeder Begegnung liegt eine Gefahr. Wer sich öffnet, kann getroffen werden. Das Risiko muss man eingehen, um berührt zu werden. Die Unsicherheit ist in meinem Fall schwächer geworden, aber noch immer da. Und wie gesagt, ich versuche sie auch zu schützen.
intimacy-art: Als wünschenswertes Lebensgefühl oder weil Sie davon leben, darüber zu schreiben?
HECKMANNS: Es blendet so viele Einzelheiten und Nuancen aus, wenn man weiß, wie "es" geht.
intimacy-art: Hatten Sie auch über längere Zeit existenzielle Sorgen wie das Künstlerpaar in "Das wundervolle Zwischending"?
HECKMANNS: Wenn man sich für das Schreiben entscheidet, hört die Sorge nicht auf, wie lange es zu konservieren ist, sei es die eigene Schreiblust oder dass sich das Geschriebene verkauft, wie Medien darauf reagieren. Das hält neugierig.

Unsicherheit als Muse

intimacy-art: Interessanterweise entspricht Ihr Schreibstil genau dieser aktuellen Haltlosigkeit. Er wird in Form von Zwischentönen der Wortgebilde, in seiner Wirkung als Metasprache, zur eigentlichen Aussage der Stücke. Sie schreiben über emotionale Bilder und weniger über konkrete Handlungen, was das Dichterische an Ihnen ausmacht. Selbst wenn es noch abstraktere Schreiber gibt, steht diese Form für die Sprachlosigkeit in der Liebe und im Wirtschaftsleben schlechthin. Wann fanden Sie sie?
HECKMANNS: Ich habe mir vorher keine Strategien des Stils überlegt. Der erste Monolog Finnisch oder Ich möchte dich vielleicht berühren entstand direkt aus einer Situation der Sprach- und Hilflosigkeit in der Begegnung heraus. Er hatte in bestimmter Weise bei mir auch therapeutische Funktion. Als ich ihn von einem Schauspieler auf der Bühne vorgeführt bekam, hat sich das Problem gelockert. Die Komik ist mir erst bei der Bühnenfigur so deutlich aufgefallen.
intimacy-art: Glauben Sie, dass es diese Sprachlosigkeit früher auch schon gegeben hat, oder dass man sie früher nur nicht an- bzw. ausgesprochen hat?
HECKMANNS: Es geht nicht um Sprachlosigkeit, als vielmehr um das Ringen um den richtigen Ausdruck. Die Figuren reden ja ständig, sie bemühen sich darum und stellen dann den Satz infrage, den sie gerade geäußert haben. Es herrscht eine ständige Reflexionsbewegung. Dadurch kommt man kaum zum richtigen Satz, weil man ihn ständig wieder relativiert. Das halte ich für das eigentlich Interessante. Dass wenig sicher ist im Gespräch, aber trotzdem kommuniziert wird: in Versuchen.

Lesen Sie in Teil 2 schon bald auf dieser Site: Wie aus den Sprech-Versuchen das "Echte" und "Eigene" wird und warum es einem Künstler so schwer fällt, das zu verkaufen.

Und: in den Textauszügen aus Das wundervolle Zwischending und Schieß doch, Kaufhaus! werden Sie sehen, wie aus dem frauenbezogen unerfahrenen "Heckmanns" ein reifer Liebhaber und
Wirtschaftskritiker wird.
(Interview-Auszug vom 20.01.2007, volle Länge in Print (Deutsch+Englisch) / Audio (Deutsch) über intimacy-art@gmx.at)

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